Dem Ressourcenverbrauch unserer Wirtschaft sind natürliche Grenzen gesetzt. Mit Blick auf die Reserven, die uns weltweit zur Verfügung stehen, gelangt man schnell zu dieser Erkenntnis. Gleichzeitig wachsen neben der Wirtschaft auch unsere Städte immer weiter und tragen zum rasanten Verbrauch natürlicher Ressourcen bei. Wie lassen sich diese Herausforderungen in Einklang bringen?
Alberto Cerri
öbu-Projektleiter Kreislaufwirtschaft
Die Kreislaufwirtschaft liefert einige Lösungsansätze. Gerade für die Stadtentwicklung birgt sie ein grosses Potenzial für eine nachhaltige und ressourcenschonende Transformation. In den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt fallen heute noch grosse Mengen an Bauabfällen an. Im Jahr 2020 waren es rund 3,2 Millionen Tonnen an Baustoffen, wovon nur rund ein Sechstel rezykliert wurde. Für die Baubranche, die zusätzlich mit Lieferengpässen und hohen Materialkosten zu kämpfen hat, ist das Thema Kreislaufwirtschaft hochaktuell.
Rohstoffe aus der urbanen Mine
Doch um die Potenziale richtig nutzen zu können, müssen die Bau- und Stadtplaner ihren Blick auf die Ressourcengewinnung ändern und Städte als Ressourcenlager begreifen. Beim sogenannten «Urban Mining», also dem «Bergbau in der Stadt», werden Rohstoffe mitten in der Stadt gewonnen. Grosse Abrissprojekte, bei denen derzeit vor allem Abfälle anfallen, entwickeln sich zu einer Quelle wertvoller Rohstoffe und Bauteile.
Um diesen Ansatz voranzutreiben, laufen bereits verschiedene Projekte, die Lösungen für die Wiederverwendung von Rohstoffen erarbeiten. Der Verband für nachhaltiges Wirtschaften, öbu, und eine Allianz von Partnern aus der Schweizer Bauwirtschaft untersuchen im Projekt «Re-Use of Steel Sections», wie Stahlprofile im Kreislauf gehalten werden können. Die Eigenschaften und die Standardisierung von Profilstahl machen ihn zum perfekten Kandidaten für die Wiederverwendung. «Wir wollen zeigen, wie eine zirkuläre Lieferkette in der Bauindustrie für Stahl, aber auch für weitere Bauteile in der Praxis funktionieren kann», fasst öbu-Projektleiter Alberto Cerri die Ziele des Vorhabens zusammen. Geförderte Teilprojekte, die Erkenntnisse zur Qualitätssicherung von Stahlprofilen liefern sollen, sind bereits in der Umsetzung. Gemeinsam prüfen Immobilien Basel, öbu und weitere Partner:innen beispielsweise, wie die Oberfläche von Re-Use-Stahlprofilen wiederaufbereitet werden kann.
Lokale Initiativen in Basel
Auch vor Ort in Basel werden Vorhaben für die Kreislaufwirtschaft auf den Weg gebracht. Ende November wurde in einer kantonalen Volksabstimmung in Basel-Landschaft über ein Massnahmenpaket zur Förderung des Baustoffkreislaufs abgestimmt. Beide kantonalen Vorlagen, die sich mit der Förderung von Baumaterialrecycling befassen, wurden angenommen. Damit wird es künftig eine Deponieabgabe auf Bauabfälle geben und es werden neue Anreize für kreislauffähige Lösungen geschaffen.
Ideen für die zukunftsfähige Bauweise
Dass zirkuläres Bauen auch in der Praxis funktionieren kann, zeigen fortschrittliche Projekte wie das geplante Gebäude «HORTUS» in Allschwil bei Basel. Das Bürogebäude setzt neue Massstäbe in Sachen Nachhaltigkeit, indem es die graue Bauenergie kompensiert und bereits nach rund 30 Jahren eine positive Energiebilanz aufweist. Zudem wird jedes Bauteil bereits vor dem Einbau mit einer Anleitung zur Wiederverwendung versehen, falls das Gebäude einmal abgerissen werden sollte. So werden Kreislaufwirtschaft und «Full Circle Design» von Anfang an mitgedacht.
«Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine Chance für nachhaltiges Wirtschaften. Wir müssen zeigen, dass zirkuläre Lieferketten in der Praxis funktionieren, Innovationen fördern und auch wirtschaftliche Vorteile sowie neue Märkte hervorbringen», so Alberto Cerri. Die Baubranche verdeutlicht wie kaum ein anderer Sektor: Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft ist noch lange nicht ausgeschöpft.