… ist für mich ein sehr ambivalenter, da er einerseits klebrig-stumpf, aber auch sehr schön und positiv gelebt werden kann.
Paul Pizzera
österreichischer Kabarettist und Sänger © Foto: Bernd Niederwieser
Wie Gert Steinbäcker in seiner Hymne “Steiermark” schon so treffend
konstatierte: “…an dem Wort klebt vü Bluat, vü dummer Stolz und der
Nazi-Mief, nur i hob do meine Wurzeln…”.
Ab dem Moment, wo das Adjektiv “stolz” Einzug in die Heimatdebatte findet, läuten bei mir alle Alarm-, Oster- und Conciergeglocken, als wäre Peter Schröcksnadel gerade an der Rezeption des Ritz-Carlton zum Einchecken bereit und ebendiese gerade nicht besetzt. Ich bin nicht stolz darauf, dass die Steiermark – und weiter gedacht Österreich – meine Heimat ist, weil frei nach Meischberger: “Wo woar mei Leistung?” Ich glaube, man kann von Bilbao bis Malaga Menschen allen Alters befragen und nur ein verschwindend geringer Prozentsatz würde nachdrücklich erwähnen, wie unsagbar stolz er oder sie nicht auf ihr Meer sei.
Daher wundert es mich immer wieder, worauf der intrinsische Stolz vieler Österreicher auf die Berge fußt. Am Aufbau jedenfalls nicht. Dafür bin ich aber umso dankbarer und nehme meine Herkunft immer als glückliche Fügung wahr. So gesehen ist die Steiermark für mich natürlich das Bundesland Nummer eins. Steiermark oder Heimat bedeutet für mich Hafen, Homebase und positive Gewohnheit, die mich stärken, stützen und stimmen kann, wenn ich und meine Gitarre wiedermal etwas atonal unterwegs sind.
Wie ein lieber Onkel, auf dessen Schoß sich immer ein Platz für die Probleme und Anliegen seiner Nichten und Neffen findet.
Die Sprache ist die Seele einer Region oder eines Landes und ich finde, dass kein österreichischer Dialekt auch nur ansatzweise dem Steirischen das Wouussa reichen kann. Aber auch hier herrscht wieder eine gewisse Dichotomie: Wenn man sich “Kalt&kälter” von STS anhört und im Refrain das so oft zitierte steirische “üüü” vernimmt, welches im Satz “owa des wüüü i net …” verpackt ist, weiß man, dass es in keiner anderen Sprache oder keinem anderen Dialekt jemals so viel Herz in einem einzigen Umlaut gegeben hat.
Dem gegenü(üü)bergestellt sind Phrasen wie “Scho amol vo ana Tetschn gspiebm?”, welche die Frage aufwirft, ob das Gegenüber in seinem bisherigen Leben bereits in den Genuss gekommen sei, vom Effekt einer stattlich ausgeführten Ohrfeige durch die Seekrankheit übermannt worden zu sein – weniger sympathiefördernd, wenn auch von einem gewissen rustikalen Charme ummantelt.
Ich bin sehr dankbar für meine Heimat und hoffe, dass sie für die Menschen zu einer neuen wird oder bereits eine alte ist, die verstehen, dass der Verlust derselbigen jeden von uns treffen kann.